REISEfieber I Frühjahr-Sommer 2022

- 36 - REISEfieber Das klingt hervorragend, wie ich finde! Ich bestelle gleich zehn Shots für uns. „Happy Hour“ heißt in Costa Rica übrigens nicht, dass man die Hälfte bezahlt. Nein – man zahlt den normalen Preis und bekommt doppelte Drinks. Das erfahre ich in dem Moment, in dem20ShotsChiliguaro vor uns stehen. Nach demErsten steigen Ing- rid, Sabina und Stefan aus und bestellen sichMojitos.Auch gut, dann bleibt für Isaac und mich eben mehr übrig. Gott sei Dank gelingt es uns nochkurz vor Ende derHappyHour, eineweitereRunde zubestel- len. Edgar muss leider noch ein bisschen auf uns warten. Sorry! Rafting am Rio Pacuare Am nächsten Morgen sind wir wie gewohnt die ersten Gäste, die auschecken. Wir fahren zurück in die Berge in Richtung Talamanca- Gebirge, denn hier wartet schon das nächsteAbenteuer auf uns: 3000 Meter über demMeeresspiegel geht es zumRafting auf den Pacuare- Fluss, der mit einer Länge von 133Kilometern in denCuerici-Hügeln entspringt und schließlich an der Karibikküste Costa Ricas in der Pro- vinz Limon ins Meer mündet. Pacuare ist weltberühmt für seine raue Schönheit – kilometerlange Flussschluchtenwerden von steilen, grü- nenWänden flankiert. ZahlreicheWasserfälle undStromschnellender Stärke drei bis vier erwarten uns. So nahe ist man der Natur selbst in Costa Rica selten:Wir sitzen in einemSchlauchboot und bunte, tro- pischeVögel fliegen direkt über unsere Köpfe hinweg.VomWasser aus genießt man einen faszinierenden Blick auf den unberührten Regenwald und die einzigartigeTierwelt: Faultiere,Tukane, Fischrei- her, Aasgeier, Papageien, Nasenbären, Morphoschmetterlinge sowie zahlreiche bunte Frösche können auf der 28Kilometer langen Strecke bewundert werden, auf der nicht weniger als 52 Stromschnellen über- wunden werden müssen. „Nur wenige Flüsse auf der Welt haben so viel zubieten“, erklärt Pascale, einRaftingprofi, der heute unserBoots- führer ist. Ausgerüstet mit Helm, Paddel und Schwimmweste sitzen wir bereits im Schlauchboot und erhalten eine umfassende Einwei- sung in die wichtigstenVerhaltensregeln – vor allem in die Komman- dosprache, denn Pascale muss sich als Steuermann darauf verlassen können, dass wir seine Kommandos schnell und präzise ausführen, damit wir die nicht zu unterschätzenden Stromschnellen sicher über- winden. „Auf mein Kommando ,Links!‘ paddeln alle Mann, die auf der linken Seite sitzen, und bei ,Rechts!‘ entsprechend die anderen. Und auf das Kommando ,Rechts oder links zurück!‘ paddelt ihr entgegengesetzt, verstanden?“ Pascale legt auch die Sitzordnung im Boot fest: Vorne rechts sitzt Sabina, vorne links ich und hinter mir Isaac. Zwei Jungs in wendigen Kajaks begleiten uns zudem für den Fall, dass jemand über Bord geht. Und schon geht’s los. Bei denersten leichtenStromschnellenkönnenwir uns einwenigein- gewöhnen, aber schon bald beginnt der acht Kilometer lange „Pacuare River Schlucht“ mit berüchtigten Schnellen der Kategorie drei und vier namensTerciopelo Snake, Double Drop, Upper and Lower Hua- cas und Pin Ball. Wir müssen Schwerstarbeit leisten, um die Kom- mandos rechtzeitig auszuführen und nicht zu kentern. Hinter mir schreit Isaac bei jeder Stromschnelle „Uhhhhhhhhiiiii“ und schon nach kurzer Zeit habe ich den Eindruck, dass ich auf der linken Seite der Einzige bin, der paddelt. Und dann kommt er, derHuacas-Wasser- fall: Es geht gute 50Meter ziemlich steil flussabwärts. „Wehe, wir ver- säumen die schmale Einfahrt“, brieft uns Pascale noch, kurz bevor es losgeht. DasWasser fließt immer schneller undwir paddeln umunser Leben. „Los jetzt, Prinzessin!“, schreie ich Isaac an und endlich ruckt das Boot ein Stückchen nach links, sodass wir die Einfahrt gerade noch kriegen. Das war knapp!Wir erreichen den „Valle del Pacuare“ – hier zeigt sich der Fluss von einer ganz anderen, sanfteren Seite. Das gibt uns endlich die Gelegenheit, in Ruhe die fantastische Natur zu bewundern. Und jetzt sind wir ein richtiges Team und die nächsten Schnellen der Kategorie vier namens Cimarrones,The Play Hole, El Indio und Magnetic Rock meistern wir mit Bravour. Nach mehr als fünf Stunden sind wir amEnde der Strecke angekommen. Ein ganz besonderes Erlebnis liegt hinter uns. Wir bedanken uns herzlich bei Pascale und steigenmüde, aber glücklich und zufrieden zu Edgar in den Van. Wir erzählen ihm von unseren aufregenden Erlebnissen und warum Isaac jetzt einen neuen Spitznamen hat: Prinzessin II. Wer Prinzessin I ist, ist wohl klar. Wir übernachten im herrlichen Hotel Casa Turire bei Turrialba, einem perfekt restaurierten, im Kolonialstil gebauten ehemaligen Herrenhaus, bevor am nächsten Tag im Nebelwald von Savegre im Nationalpark Los Quetzales in San Gerardo de Dota eine außerge- wöhnliche Wanderung auf uns wartet. Trekkingtour durch den Nationalpark Los Quetzales Und wieder starten wir mitten in der Nacht – dieses Mal zu einem kleinen Bergdorf namens Santa Maria de Dota, das im bergigen Hochland von Zentral- und Süd-Costa-Rica liegt. „Diese Gemeinde ist unter Kaffeeliebhabern berühmt, denn hier wächst der Tarrazu- Schattenkaffee, ein Hochlandkaffee, der unter weltweit einmaligen Bedingungen auf vulkanischemBoden in einemMikroklima gedeiht. Das idealeKlima in diesemTal ist entscheidend für dasWachstumder Kaffeepflanzen, denn über einen Zeitraum von neun Monaten können die Bohnen extrem langsam reifen und das Klima der Jah- reszeiten mit verschiedenen Temperaturen, viel Sonne und Nieder- schlägen imWechsel sorgt dafür, dass die Kaffeebohnen ihr einzig- artigesAroma erhalten”, erklärt uns Isaac auf demWeg zu unserem Treffpunkt mit Guide José ganz amOrtsende von Santa Maria. Hier beginnt der Regen- und Nebelwald. José gehört zu demTypMensch, der ohne vieleWorte auskommt. Er spricht spanisch und Prinzessin II übersetzt simultan: „Ich werde euch durch den Nebelwald führen. Wir werden circa vier Stunden unterwegs sein. Bleibt dicht hinter mir und kommt den Pflanzen am Wegesrand nicht zu nah, dennmanche sind ziemlich giftig.”Mit die- senWorten dreht er sich um und geht den Schotterweg entlang zu einem schmalenTrampelpfad, der direkt hinauf in den dicht bewach- senen Urwald führt. Wir folgen ihm im Gänsemarsch, aber hinter ihmzu bleiben, ist schwieriger als gedacht. José hat zwar nur löchrige Gummistiefel an, könnte aber vermutlich mit diesemTempo locker denWeltmeistertitel imBerglauf gewinnen. Schon nach einigenMinu- ten sindwir ziemlich außerAtemund derAbstand zwischen uns und José wird immer größer, was ihn aber nicht sonderlich stört. Unbeirrt rennt er den schmalen Pfad hinauf, der immer steiler und schmaler wird. Dann stoppt er plötzlich und wir können aufschließen. „Das ist eine frische Spur eines ausgewachsenen Jaguars. Er hat denselben Weg benutzt wie wir und ihnmit seinen Exkrementenmarkiert.“Tat- sächlich nehmen wir einen unglaublich intensiven Wildtiergeruch wahr. DieVorstellung, dass vor wenigen Stunden eine wild lebende Raubkatze an dieser Stelle war, ist unglaublich!

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