CLIVIA Demo I 0319

03/2019 clivia 29 I ch liebe Sprüche und Lebensweisheiten und bis vor einiger Zeit haben Instagram-Posts und Schilder, die in meiner Wohnung hängen mit „Do more of what makes you happy“ in mir eine unglaubliche Sehnsucht ausgelöst. Eine Sehnsucht nach weniger alltäglichem Hamsterrad. Ich wollte nicht raus aus meinem Leben, aber der Wunsch nach Mehr war da. Mehr Zeit, mehr Treibenlas- sen, mehr Ungeplantheit. Raus auf Zeit quasi. Dazu der Wunsch nach mehr Reisen. Und da kam er wieder hoch, der fast verloren geglaubte langjährige Traum von einem Jahr Auszeit. Aber diesmal gab ich ihm Raum, sich zu entfalten – und bekam jede Menge Unterstützung. Plötz- lich ergab eins das andere und als mir dann auch noch im Job ein Jahr Sabbatical gewährt wurde, gab es kein zurück mehr: Nach einem guten Jahr Vorbereitung, saß ich am 3. Oktober 2018 allein im Flieger nach New York. Und realisierte zum ersten Mal: Ich tue gerade genau das, was mich glücklich macht! Ein tolles Ge- fühl. Drei Monate reiste ich durch die USA und Kanada, die meiste Zeit über ganz allein, was dort nicht unbedingt üblich ist, d. h. man tri t auch kaum Gleichgesinnte, sondern ist wirklich allein. Für sich. Oft war das ganz wundervoll, ich musste keine Kompromisse eingehen, konnte mich meinem eigenen Flow hingeben und Pläne ständig über den Haufen werfen, wie es mir gerade ge el. Man kann dort anhalten, wo man möchte und man braucht nirgendwo zu bleiben, wo man es nicht schön ndet. Aber natürlich gab es auch viele Momente der Einsamkeit, in denen ich mich allein und traurig fühlte, Freunde und Familie vermisste, nicht mehr allein Essen gehen mochte und einfach mal jemanden gebraucht hätte, mit dem ich meine Erlebnisse teilen konnte. Was mir dann geholfen hat, war meinen Blog zu schreiben (www.365tagefrei.wordpress.com) . Damit hatte ich eine Plattform, über die ich alles Schöne, aber auch die unschönen Momente teilen konn- te. Gerade durch letztere habe ich noch einmal mehr gelernt, dass eben jede Krise auch vorbei geht und oft gar nicht so lange andauert, wie man anfänglich glaubt. VERLIEBT IN BUENOS AIRES Meine Reisen führten mich weiter nach Südamerika, wo ich Kolumbien bereiste, ein „Mein Rezept gegen Einsamkeit und Heimweh war das Schreiben“ TINAS CHECKLISTE Ein Sabbatical muss vorher gut geplant werden. Hier sind Tinas Tipps, für alle mit Fernweh und Träumen: • Wohnung untervermieten und einer Person des Vertrauens eine Vollmacht ausstellen. • Auslandskrankenversicherung: Vergleichen! Preis/Leistungen sind sehr unterschiedlich, hängen auch von den Reiseländern ab. • Kosten sparen: Viele Versiche- rungen kann man zeitlich begrenzt ruhen lassen. • Alle wichtigen Unterlagen (Pass, Kreditkarten etc.) als Foto auf dem Handy haben sowie als Kopie im Koffer und Handgepäck. • App vom Auswärtigen Amt herunterladen für aktuelle Rei- sewarnungen und Hinweisen zu Einreisebestimmungen. • Impfungen vorab checken: In ei- nige Länder darf man zum Beispiel ohne Gelbfieberimpfung nicht einreisen. • Fotos täglich in ein Online- Speichermedium (cloud, dropbox, o. ä.) hochladen, falls Handy oder Kamera verloren gehen. • Reisekosten: Vorher einen Maxi- malbetrag pro Tag festlegen als Planungs-Richtlinie. • Unterkünfte: Mein Favorit ist, alles vorher zu buchen. Man verliert Fle- xibilität, aber gewinnt Zeit vor Ort. Insbesondere als Frau, alleinrei- send, ist es ein schönes Gefühl, zu wissen, wo man übernachtet, wenn man nachts im Dunkeln in einem neuen Ort ankommt. • Gepäck: Rucksack oder Koffer? USA und Kanada waren perfekt mit einem Koffer. Südamerika habe ich mit einer Rucksack-Tasche bereist. Einen Tagesrucksack braucht man auf jeden Fall. • Flüge: Ich hätte ein Around-The- World-Ticket toll gefunden, aber damit kann man wirklich nur in eine Richtung reisen, deshalb habe ich die Flüge einzeln gebucht. Macht auch flexibler. traumhaft schönes Land, welches ich jedem nur empfehlen kann. Es ist entgegen vieler immer noch vorherrschender Meinungen nicht mehr gefährlich (wenn man gewisse Re- geln beachtet – wie überall), leicht zu bereisen, alles sehr gut organisiert und auf Tourismus eingestellt. Danach war ich in Peru, Argen- tinien, Uruguay und auf Kuba. Alle Länder waren eine tolle Erfahrung, die einen mochte ich mehr, die anderen weniger, was natürlich auch immer viel mit Aspekten wie dem Wetter, dem Umstand, ob man nette Leute kennenlernt, den Unterkünften etc. zu tun hat und am Ende immer auch eine persönliche Meinung ist. Mein Favorit aber wurde Buenos Aires. Ich kam dort an und fühlte mich sofort wohl. Die Stimmung in der Stadt hatte mich mitgerissen und als ich am ersten Abend allein durch die Straßen schlenderte, war ich gleich fasziniert. Nicht nur von der Stadt und der Atmosphäre, sondern auch von den Leuten, dem eigenen argentini- schen Spanisch, das so viele Worte verwendete, die in meinem spanischen Sprachschatz noch nie aufgetaucht waren, dem gesamten Lebens- gefühl. Und so kam es, dass ich mich in Buenos Aires verliebte. Nicht nur in die Stadt, sondern auch in einen Mann, der inzwischen seit fast einem Jahr mein Freund ist, und den ich ohne das Sabbatical niemals kennengelernt hätte. Wenn mich also heute jemand fragt, ob ich mein Erspartes „sinnvoll“ investiert habe, ob es die richtige Entscheidung war, das Jahr Auszeit zu nehmen, und ob ich es jemals bereut habe, dann kann ich ganz klar und bestimmt sagen: Ich würde es jederzeit wieder tun und kann es jedem nur empfehlen. Und das nicht nur wegen meiner neuen großen Liebe, sondern vor allem, weil ich in dem Jahr innerlich gewachsen bin, ich bin unabhängiger und stärker geworden, lasse mich von Meinungen anderer nicht mehr so leicht beirren, sondern höre auf mein Bauch- gefühl und vertraue mehr ins Leben. Wenn ich heute auf Instagram Sprüche lese, wie „take time to do what makes your soul happy“, dann denke ich für mich ganz ruhig: Ja, das habe ich gemacht! Und diese Erfahrung kann mir keiner mehr nehmen, mein Leben lang. Kanada

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